Bahn: Fahrgastrechte im Nahverkehr

Liebe Leute,
wie so viele andere Menschen auch verbringe ich täglich viel Lebenszeit damit, an frostigen oder regennassen Bahnsteigen auf Züge zu warten, die vielleicht kommen oder auch nicht oder möglicherweise irgendwann.
Das ist ärgerlich.
Noch viel ärgerlicher aber ist, dass es weder irgendwen gibt, an den man sich wenden kann (die armen Zugbegleiter oder - wenn vorhanden - Mitarbeiter in Reisezentren haben schließlich genug zu tun), man offenbar keinerlei einklagbare Rechte hat und jetzt die Preise dann überall nochmal kräftig erhöht werden, während das „Deutschland-Ticket“ offenbar auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird… eigentlich hatte ich mir die Verkehrswende anders vorgestellt…

Doch die hat man, europaweit in der Verordnung EG 1371/2007 geregelt und national durch die Eisenbahn Verkehrsordnung ergänzt. Darin ist insbesondere geregelt wie viel Geld man zurück bekommt (nicht viel), welche Hilfeleistung/Verpflegung man erwarten darf (schon etwas) und dass man ab einer zu erwartenden Ankunftsverspätung von 20 Minuten mit anderen Zügen weiterreisen kann. Letzteres wird besonders dann mit dem 49 Euro-Ticket interessant, da man auf längere Strecken (mit Umstiegen) mit Nahverkehrszügen wohl fast immer mit einer Verspätung von 20 Minuten rechnen muss.

Die Verordnung regelt übrigens auch die Informationspflicht über eben diese Rechte … in meiner Wahrnehmung funktioniert das nicht so wirklich gut. Statt ernsthafter Rechte werden Reisende allzu häufig auf vermeintlich freiwillige Kulanzregelungen verwiesen, die teilweise sogar schlechter sind als die gesetzlichen Rechte (z.B. Mobilitätsgarantie NRW).

Außerdem sind natürlich auch die AGB/Beförderungsbedingungen der Verkehrsunternehmen verbindlich und im Zweifelsfall einklagbar. Mir ist aber kein Verkehrsunternehmen bekannt, welches da Qualitätsversprechen weit oberhalb des gesetzlichen Minimums macht.

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Ich mache das über „Fahrgastrechte“ auf der Internetseite der Bahn, notfalls über ein Formular aus dem Reisezentrum.
Ist das Kulanz? Warum nennen sie es dann „Rechte“?

Hallo,
in der Theorie sieht das alles ganz gut aus, aber in der Praxis… die „Fahrgastrechte“ gelten ja erst bei einer Verspätung ab 60 Minuten. Im Fernverkehr klappt das ganz gut, Antrag inzwischen relativ zügig über die Webseite und das Geld ist meist recht schnell auf dem Konto - interessanterweise kriegt man dann grundsätzlich irgendwann nochmal einen Brief aus Papier per Post - das ließe sich sicher einsparen.
Aber im Nahverkehr, wenn ein Ticket EUR 3,20 kostet - da habe ich auch nach 45 Minuten Verspätung noch null Anspruch und wenn wirklich eine ganze Stunde lang nichts gefahren ist, dann nutzen mir die 80 Cent Erstattung auch nichts…
Das Problem im Nahverkehr sind ja hier die andauernden, ständigen, fast regelhaften Verspätungen, meist so im 30-Minuten-Bereich. Und da gibt es - soweit ich weiß - weder Rechte noch Kulanz.
Hier würde es natürlich einen enormen Unterschied machen, wenn man da jedes Mal 10 EUR einfordern kann…

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In der Tat gibt es Fahrgastrechte, aber auch ich bin der Meinung, dass es viele Lücken und Verbesserungsbedarf gibt. Eine selbst so bezeichnete „Kurzinfo“ gibt einen ersten Überblick:

Meistens gibt es in den Verkehrsverbünden abweichende Regelungen, die eigentlich nur „nach oben“ (also Verbesserungen) gelten dürften. Ein riesiges Problem ist die fehlende Entschädigung für Zeitkarteninhaber. Weil ich bei einer Verspätung an einem einzelnen Fahrtag keinen Einzelticketnachweis habe.

Man muss - leider - Einräumen, dass großzügige Entschädigungregelungen für Zeitkarteninhaber ein großes Missbrauchspotenzial bieten. Wenn ich z.B. eine Wochenkarte habe, aber nur 4x in der Woche eine Strecke benutze und diese Fahrten auch pünktlich verlaufen, kann ich mir für die übrigen 3 Tage Verbindungen heraussuchen, bei denen es zu Verspätungen gekommen ist und diese dann als Reklamationsfälle beanstanden.

M.E. ließe sich das fair und weitgehend betrugssicher nur durch ein Check-In-System, wie in vielen europäischen Nahverkehrsnetzen üblich, regeln. Ob das eine Karte oder ein Mobiltelefon ist, ist eigentlich egal. In einem solchen System würde für alle erdenklichen Verbindungen die Regelfahrtzeit ermittelt. Sobald sich durch den Check-Out eine zu große Abweichung ergibt, kommt es zu einem automatischen Erstattungsfall. Sicher eine recht komplexe Angelegenheit, aber durchaus umsetzbar. Ein solches System muss „Trödeleien“ der Fahrgäste als Entschädigungsgrund ausschließen können. Wenn also jemand für seine Fahrt 90 statt 45 Min. gebraucht hat, weil er eine bequeme Umstiegszeit von 8 Minuten nicht genutzt und sich stattdessen vorher noch etwas beim Bäcker gekauft und einen späteren Anschluss genommen hat, darf das nicht zum Entschädigungsfall führen.

Ich nehme an, kaum einE PolitikerIn und schon gar kein Unternehmen Interesse hat an einem solchen autonomen System, bei dem es Erstattungen automatisch gibt, ein Antragsverfahren ist ein sicherer Garant dafür, dass ein Großteil erst gar nicht auf die Idee kommt, einen Antrag zu stellen.

Verspätungen im Fernverkehr ließen sich mit einem solchen System natürlich genauso vollautomatisch entschädigen.

Eine Entschädigungsregel, die auch wirklich angewendet wird, ist bei der aktuellen Zuverlässigkeit der Bahn einfach unrealistisch. Entweder wären die Verkehrsunternehmen relativ schnell pleite, oder die Ticketpreise müssten extrem steigen, um diese Mehrkosten mittragen zu können. Wir haben derzeit Nahverkehrslinien wo nichtmal jeder zweite Zug nach Plan verkehrt (SPNV-​Qualitätsmonitor NRW - Infoportal von mobil.nrw) - an funktionierende Umstiege muss man da gar nicht mehr denken.

Oder ist die Bahn vielleicht auch gerade so unzuverlässig, weil es für die Verkehrsunternehmen nahezu keine Konsequenzen hat unzuverlässig zu sein? Noch schlechter als bei der Bahn sind die Fahrgastrechte im Fernbus und ausgerechnet dort wo die Fahrgastrechte am schwächsten sind, ist auch die Zuverlässigkeit am schlechtesten: Bahn, Bus, Flugzeug: 30.040 Mal unpünktlich - DER SPIEGEL

Im Luftverkehr gibt es hingegen recht starke Fluggastrechte mit recht üppigen pauschalen Entschädgigungen (unabhängig vom Ticketpreis 250 bis 600 Euro), wobei man dort die Problematik mit dem Nachweis dank Bordkarte nicht hat. Wäre es nicht schön, Fahrgastrechte ganz unabhängig vom Verkehrsträger zu haben? Vorschlag: Für jede 20% die die geplante Reisezeit überschritten wurde, gebührt eine Entschädigung von 5 Euro. Eine einstündige Reise wäre also nach 12 Minuten mit 5 Euro, nach 24 Minuten mit 10 Euro und nach 36 Minuten mit 15 Euro zu entschädigen.

Flug und Fahrgastrechte sollten eigentlich ähnlich sein? Warum bekommt man bei Flügen schon eine Kurze Verpätung oft erstattet und bei der Bahn nicht? Da ist doch ein Problem…

Der Gast kann auch duch eine Relativ kurze Verspätung ein erhebliches Problem bekommen. Etwa einen wichtigen Termin verpassen! Das kann im Geschäftsverkehr Geld kosten!

Da sehe ich auf jedem Fall Schadensersatzanspruch! Auch bei Touristischen Reisen, allerdings erst bei etwas größeren Verspätungen. Der Tourist hat ja keinen soo wichtigen Termin. Es sei denn, er hat durch die Verspätung höhere Reisekosten als geplant…

Und der Chef meckert bei der Verpätung bei der Fahrt zur arbeit oder Dienstreise…

Die Bahn hat einfach pünktlich zu sein. Punkt… Da hat einfach Priorität…