Projekt "Swales für die Welt"

Dies ist ein Versuch, mit den Bordmitteln des discourse eine zielgerichtete, ergebnisorientierte Diskussion zu führen.

Swales sind diese Gräben quer zum Hang, die Starkregen teilweise auffangen, der dann unterirdisch verdunstungsgeschützt ins Tal sickern kann und die dortigen Felder ziemlich ganzjährig mit Feuchtigkeit versorgt.
Eine tausende Jahre alte Kulturtechnik, die aber vielerorts in den letzten 100-200 Jahren in Vergessenheit geriet und dann von der UN wieder ausgegraben wurde.
Voraussetzung sind naturgemäß eine Hügellandschaft und eine Mindestniederschlagsmenge. Computer und Bagger wären hilfreich; es geht aber auch von Hand.

Warum gerade swales? Ich kenne ca. ein Dutzend solcher Techniken, die es verdient hätten, in einem ähnlichen Projekt bearbeitet zu werden (Zais, Demi-lunes, sand dams, …). Mit swales kenne ich mich aber am besten aus, habe bei Bedarf auch das meisten Anschauungsmaterial zur Hand und sie sind imho am einfachsten zu verstehen.

Stellen wir uns also vor, die UN hätte uns als Projektleiter damit beauftragt, diese Technik weltweit - wo immer es geht - zum Einsatz zu bringen.

  • was würden wir tun?
  • woran würde das Projekt scheitern?

Hier ein Entwurf, wie ein solches Projekt aussehen könnte.

1. Gebiete ermitteln

Ein Forscherteam in Australien hat vor ein paar Jahren mal ein Programm über die Daten von Google Earth laufen lassen, um alle potentiellen Standorte für Pumpspeicherwerke zu ermitteln, inklusive der Volumina von Ober- und Unterbecken.

  • Dieses Programm könnte man umbauen oder auch komplett selbst schreiben.
  • Darüber müssen dann Karten mit Niederschlagsmengen, Bewuchs, Bodenbeschaffenheit (Satellit?) etc. gelegt werden.
  • Von den so ermittelten Gebieten müssen sinnvollerweise noch diejenigen abgezogen werden, in denen andere Kulturtechniken noch besser wären. Aber das kriegen wir später :wink:

1.1. Gründe

Warum wird es nicht bereits gemacht, wenn es eine tausende Jahre alte Kulturtechnik ist ? Die Gründe dafür können regional sehr unterschiedlich ausfallen: Beim ‚Wer hat ein Interesse daran‘ kommen eigentlich nur die Kolonialherren in Frage. Die haben bekanntlich Agroforest gekillt. Bei den swales kann ich mir da aber keine Motivation vorstellen.

Aber nicht immer gibt es einen Schuldigen. Manche Dinge passieren einfach. Mögliche Gründe:

  • die Technik ist zwar ein paar hundert km weiter bekannt, nicht jedoch in diesem Dorf.
  • früher waren die Hügel bewaldet, wurden aber mit der Zeit zu Brennholz
  • die Regenfälle haben sich in Menge und Form verändert
  • die Bevölkerung des Dorfes ist gewachsen: mehr Felder, mehr Wasserbedarf.

1.2. Weitere Kriterien

Ein weiterer wichtiger Parameter sind die Besitzverhältnisse. Als Pächter oder so steckt man nicht diese Arbeit hinein. Das muss also je Land geklärt werden. Eine hübsche Aufgabe für Jurastudenten, evtl. durch Kontaktaufnahme zur Jurafraktion einer Uni des Ziellandes.
Den Bauern

  • gehört das Land (getrennt nach Feldern/Hügel)
  • langfristig gepachtet
  • kurzfristig gepachtet
  • formlos geduldet

2. Erlaubnis

Aus der obigen Karte geht auch hevor, welche Staaten involviert sind. Dort muss man natürlich um Erlaubnis (und ggf. etwas Unterstützung) bitten.
Dafür muss nicht unbedingt die Außenministerin überall hinfahren. Der Botschafter sollte reichen.
Einige Regierungen werden Bestechungsgelder fordern, für die wir natürlich kein Geld haben.
Andere Gebiete sind Bürgerkriegsgebiete oder aus anderen Gründen zu unsicher.
Wir werden also in einem Teil der Gebiete nicht aktiv werden können.

3. Überzeugung

Dann müssen die Dorfbewohner von der Sinnhaftigkeit überzeugt werden.

  • Dafür könnte man Horden von charismatischen Entwicklungshelfern in die Dörfer schicken. Das ist aber teuer und wird obendrein an einem Mangel an Dolmetschern scheitern.
  • das paani-Projekt in Indien ist einen anderen Weg gegangen. Dort hat ein berühmter Bollywood-Schauspieler einen Wettbewerb ausgerufen, welches Dorf in 45 Tagen die meisten swales bauen kann.
  • Wir sollten also ein paar beliebte lokale Prominente auf unsere Seite bringen. Eine Aufgabe für den Botschafter.
  • Dann ermitteln, über welche Medien man die Dörfler dort erreicht und für diese Medien ein paar Berichte/Werbespots mit den Promis produzieren. Das darf ruhig etwas Geld kosten.

4. Baupläne

Ich nehme an, dass ein Hydroingenieur(-student) in eine 3D-Karte des Geländes die theoretisch optimale Lage der swales einzeichnen kann.

  • noch besser wäre natürlich ein Programm oder eine KI. Gibts aber vermutlich noch nicht.

5. Baupläne verifizieren

Jetzt müssen Leute in die Dörfer geschickt werden, die diese Baupläne mit der Realität abgleichen und schon mal Pflöcke an den Standorten der swales einrammen.
Das müssen aber keine Ingenieure sein. Da reichen angelernte Einheimische Hilfskräfte. Aber die brauchen Fahrzeuge, Sprit und etwas Gehalt.
An den vorgesehenen Stellen können verschiedenste Hindernisse auftreten: Felsplatten, heilige Bäume und whatnot. Die müssen von diesen Mitarbeitern an eine zentrale Stelle gemeldet werden, wo Ingenieure dann den Bauplan anpassen.

6. Bau

Der Bau der swales erfolgt in der ‚hunger season‘. Das sind die 4-8 Wochen vor der Ernte, wenn auf den Feldern kaum noch was zu tun ist, die Vorräte fast aufgebraucht sind und alle arbeitsfähigen Menschen in der nächsten Stadt versuchen, mit Gelegenheitsjobs etwas Geld für Nahrungsmittel aufzutreiben.

  • Man fährt also mit einem PickUp mit ein paar Säcken Mais und sicherheitshalber ein paar einheimischen Schaufeln in das Dorf und am nächsten Tag steht das ganze Dorf inklusive der größeren Kinder auf der Matte und buddelt swales.
    Das Prinzip heißt ‚food for work‘. In den nicht ganz so armen Ländern funktioniert das nicht allein. Dafür lässt sich in diesen Länder dann auch meist ein Bagger auftreiben.
  • Wenn die Zeit nur für einen Teil des Bauplans ausreicht - z.B. die linke Seite des Tals - ist das kein Problem. Die Ernteerträge steigen dann halt im nächsten Jahr nur auf einem Teil der Felder auf das 2-3-fache. Die Dorfbewohner werden dann im nächsten Jahr freiwillig weiterbauen.

7. Nacharbeiten

Einen gewissen Teil der Ernteüberschüsse im nächsten Jahr werden die Dorfbewohner gerne selber futtern. Weitergehende Überschüsse werden sie aber vermarkten wollen.

  • wenn das ein ‚normales‘ Projekt in einem einzigen Tal wäre, können sie die vermutlich gut im Nachbartal verkaufen.
  • unser Projekt soll das aber flächendeckend machen, d.h. die Nachbartäler haben jetzt auch Überschüsse. Also müssen sie sich zu eine Vertriebsgenossenschaft oder so zusammenschließen und die Überschüsse in der nächsten Stadt vermarkten.
  • oder sie reduzieren ihre Produktion und haben dann Zeit für die Verarbeitung/Veredelung ihrer Ernte, die Kinder haben Zeit, in die Schule zu gehen etc.
    Man sieht, das ist eine unendliche Geschichte, aber jedes neue Kapitel bringt positive Auswirkungen für die Menschen.

Die obige Skizze enthält jede Menge Annahmen, (plausible) Vermutungen und offene Fragen. Wenn wir die verifizeren, bestätigen und klären können (vielleicht kennt hier ja jemand einen Professor einer einschlägigen Fachrichtung), könnten wir den ausgefeilten Entwurf ja mal dem Aussenministerium andienen und vielleicht sogar etwas Kohle aus der Entwicklungshilfe locker machen.

Defizite des discourse:

  • ich würde die offenen Fragen (und später die ToDos) gerne farblich kennzeichnen. Das gibt discourse aber nicht her. Doch! Ist aber umständlich.
  • die Formatierung des Textes folgt nur sehr bedingt der Gliederung :frowning: Ich habe das jetzt mal über HTML-tags gelöst. Ist aber nicht jedermanns Sache.

Die posts #2-10 gelten als eingearbeitet. Bitte hier weiterlesen:

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Eine Frage, die ich mir immer zuerst stellen würde ist:
Warum wird es nicht bereits gemacht, wenn es eine tausende Jahre alte Kulturtechnik ist ?
Irgendwer muss dann ja ein Interesse daran gehabt haben, es anders zu machen, wenn ja, wer und warum?

Bevor man diese Technik global mit viel Aufwand verbreitet, sollten wir das vielleicht erstmal bei uns anwenden. In Oberursel was ich diese Jahr auf einer Veranstaltung, die genau dies zu Thema hatte:
Es gibt solche Quergräben teilweise noch in unserem Wald. Diese müssen wieder gepflegt werden.

Außerdem sollte auch für Extremregen geplant werden. Dafür ist der Gedanke die Gräben zu verlängern damit das Wasser bei Extremregen auf große Flächen läuft, die ohne Schäden überflutet werden können und wo das Wasser versickern kann.

Wenn wir das Deutschlandweit machen um Überflutungen zu verhindern und unser Grundwasser auch bei Starkregen aufzufüllen, dann schafft man damit ein Beispiel für andere.

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Generell eine gute Frage: qui bono?
Beim ‚Wer‘ kommen eigentlich nur die Kolonialherren in Frage. Die haben bekanntlich Agroforest gekillt. Bei den swales kann ich mir da aber keine Motivation vorstellen.

Aber nicht immer gibt es einen Schuldigen. Manche Dinge passieren einfach. Mögliche Gründe:

  • die Technik ist zwar ein paar hundert km weiter bekannt, nicht jedoch in diesem Dorf.
  • früher waren die Hügel bewaldet, wurden aber mit der Zeit zu Brennholz
  • die Regenfälle haben sich in Menge und Form verändert
  • die Bevölkerung des Dorfes ist gewachsen: mehr Felder, mehr Wasserbedarf.

Das verblüfft mich jetzt. Ein gesunder Wald erfüllt diese Funktion normalerweise sehr gut. Swales wirken da natürlich noch als Verstärker. Ist etwas über das Alter dieser Gräben bekannt?

Das ist ‚swales für Fortgeschrittene‘ :slight_smile: Beim paani-Projekt habe ich schon solche Grabensysteme gesehen, die auch noch den Überlauf aus den swales in große künstliche Becken leiten. Einige mit offenem Boden zum Versickern, andere abgedichtet als Reservoir.
Ich wollte das Projekt aber erstmal einfach halten :wink:

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Ich habe letztens ein Buch über ein Projekt in Haiti gelesen. Leider hatte ich es mir nur geliehen und weiß den Titel nicht mehr genau. Dort hatte der Entwicklungshelfer geschrieben, dass die Kleinbauern Angst haben, ihr Land auf diese Weise aufzuwerten, weil dann die Gefahr größer würde, dass es enteignet wird.

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Ein weiterer, ähnlicher Grund könnte sein, dass den Bauern das Land nicht gehört. Als Pächter oder so steckt man nicht diese Arbeit hinein.

btw läuft doch ganz gut :slight_smile: Jetzt haben wir schon ein paar weiter Aspekte eingesammelt, die in unsere Gebietskarte eingearbeitet werden müssen.

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Wenn man einen langfristigen Pachtvertrag hat, vielleicht schon.

Ich denke, man muss solche Fragen immer zuerst klären, damit man sich hinterher nicht wundert.

Das ist so ähnlich wie bei uns mit der Windenergie. Auch dort wird aus meiner Sicht sehr wenig Einfühlungsvermögen in die Gründe für die Widerstände aufgebracht, und außer „die Leute sind alle blöd“ gibt es wenig Erklärungsversuche. Dabei würde so Vieles wie von selbst gehen, wenn man die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung ernst nehmen würde.

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Das ist der Grund, warum bei uns seinerzeit die „Erbpacht“ eingeführt wurde.

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Khettaras in Südmarokko - Marokko erfahren.

Auch ein geniales System.

Interessant. Quasi ein ertfernter Verwandter der swales. Aber sowas würde man heute nicht mehr in Handarbeit bauen (zu wenig Sklaven :wink: ).

Generell: Wo auch immer sich Menschen in Gebieten mit regelmäßiger saisonaler Wasserknappheit ansiedelten, haben sie sich auch Techniken zum Wassermanagement einfallen lassen. Und sie waren dabei sehr erfindungsreich.

In Thailand z.B. haben sie in den Hügeln kaskadierene einfache Rückhaltebecken von meist 6-7m Tiefe angelegt, die sich im Monsun füllen. Verdunstung spielt hier kaum eine Rolle.

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