Wir müssen lernen uns von Narren warnen zu lassen

Also dieser Zeit-Artikel ist die besser Zusammenfassung unserer Lage, die ich seit langem gelesen habe:

Wir müssen lernen, uns von Narren warnen zu lassen

Ein paar Zitate:
Ich werde also meine Kritik am Aktivismus vortragen. Ruhig, besonnen. Und dann werde ich tun, wonach es mich drängt, über unser wirkliches Problem sprechen: die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und Lebensvoraussetzungen. Ich weiß: Gewöhnlich treten die einen als schrille Warner vor der ökologischen Katastrophe auf, die anderen als unerbittliche Kritiker der Aktivisten. Dieses Entweder-oder entspricht unseren ideologischen Gruppenspielen. Der Logik des Tribalismus. Es erhält eine Polarisierung aufrecht, die verhindert, dass wir entschieden handeln.

Zudem war die Regelverletzung von Greta Thunberg eng mit dem ursprünglichen Protest verbunden, durch zwei Aussagen: Warum noch zur Schule gehen, wenn die Politik gerade meine Zukunft verspielt? Und: Warum noch Wissen erwerben, wenn Wissen in dieser Gesellschaft offensichtlich keine Rolle spielt? Jede Protestform besteht aus praktischen Handlungen und einer dazu gelieferten Erzählung: Thunbergs Erzählung war eine der einleuchtendsten, wirkmächtigsten in der Geschichte sozialer Bewegungen.

Schon, dass ich mich hier mit der Klimabewegung befassen muss, ist Teil des Problems. Das rapide Schrumpfen fast aller Tier- und Pflanzenbestände auf der Welt hat mit fünf Faktoren zu tun: zuerst mit dem schlichten Verlust von Lebensräumen infolge landwirtschaftlicher Nutzung oder Bautätigkeit, dann mit der Überausbeutung, dann mit Verschmutzen, schließlich mit dem Klimawandel und dem Einschleppen invasiver Arten. … Trotzdem ist in den Nachrichten – und auf den Internetseiten von Letzte Generation und Extinction Rebellion – noch immer fast ausschließlich vom Klima die Rede, gibt es noch immer eine Klimabewegung, eine Klima-Monomanie, einen Klima-Fundamentalismus.

Wie Christen sich Stellen aus der Bibel rauspicken, die mit modernen Moralvorstellungen vereinbar sind, so betreiben viele von uns eine Rosinenpickerei der Katastrophen.

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Danke für die Empfehlung. Ich hätte diesen ehrlichen und klugen Artikel nicht gelesen, weil mich die Überschrift abgehalten hat, und ich hätte etwas wichtiges verpasst.
Er findet die richtigen Worte für etwas, was mich auch beschäftigt.
Mit seinen Worten zum Schluss:
„Aufklärung, das bedeutet jetzt: Ausgang des Menschen aus seinem selbst verschuldeten ökologischen Analphabetentum. Aufklärung bedeutet: Die Erkenntniskosten auf sich zu nehmen. Den Schrecken zuzulassen – und dann als Antrieb zu nutzen.“

Edit: Und jetzt habe ich diesen Artikel von ihm nochmal nachgelesen:
https://www.zeit.de/kultur/2022-03/fridays-for-future-klimastreik-klimabewegung-klimawandel/
Hier der Schluss:
„Radikale Probleme erfordern radikale Lösungen: Das ist eine wenig taugliche Faustregel für Politik.“…"Eine Faustregel, die tatsächlich zum Erfolg führt: Radikale Probleme erfordern Vertrauen. Die Menschen dürfen die Retter nicht mehr fürchten als die Katastrophe. "
Er spricht mir aus dem Herzen.
(Es erklärt mir auch mein Gefühl der Entfremdung von den 4Future, obwohl ich da sehr aktiv war.)

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Spannender Artikel!
Nur… wir räumen wir die Putins, Trumps und Bolsararos aus der Welt?

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Ein Artikel im intellektuellen Echoraum. Was meine ich damit?

Tatsächlich warten wir bis heute vergeblich darauf, dass ein westlicher Regierungschef (von den Autokraten der Welt zu schweigen) sich hinstellt und eine Churchillsche „Blut, Schweiß und Tränen“-Rede hält, der Bevölkerung ehrlich sagt, welche Schritte nötig sind und welche Opfer damit in den kommenden Jahrzehnten verbunden sein werden.

Was war das besondere an dem Zeitpunkt an dem Churchill diese Rede erfolgreich vortragen konnte? Genau, man konnte den Kanonendonner praktisch schon hören: Blood, Sweat, Tears – Wikipedia und er musste sich nicht mehr mit parlamentarischen Querschlägern wie Lindner und Merz rumschlagen denn:

Der Rede vorausgegangen war eine Abstimmung im Unterhaus, in der Churchill sich von den Abgeordneten des Parlamentes das Vertrauen in die Politik seiner neuen Allparteien-Koalitionsregierung aussprechen ließ

Also ich bin bzgl. der historischen Umstände dieser Rede nicht so bewandert. Doch wie können Merz oder Lindner irgend jemand davon abhalten eine Rede zu halten?

Dein Argument läuft doch darauf hinaus: Wer so eine Rede hält, wird von den März&Lindnern angegriffen werden und riskiert seine politische Karriere?

Was sehen wir denn stattdessen aktuell: Ich habe das Gefühl jedes Problem das Auftaucht, soll durch Staatsknete abgefedert werden, damit bloß alles so weiterlaufen kann wie bisher.

Das ist aber der Punkt, der an unseren Politikern am heftigsten zu kritisieren ist. Tankrabatte und 9-Euro Tickets? Gaspreisdeckel?

In sechs Jahren wird die Menschheit die 1,5 Grad Grenze überschritten haben.

Ah, ok, da habe ich mich wohl unklar ausgedrückt. Ich will mit dieser Bermerkung vor allem sagen, dass eine entsprechende Rede zur Zeit noch an der Mehrheit únserer Bevölkerung wirkungslos vorbei ginge (natürlich auch befeuert durch die üblichen Querschüsse von ganz links bis ganz rechts, Söder et al nicht zu vergessen).
Zum Zeitpunkt von Churchills Rede hatte der U-Boot Krieg schon begonnen und Großbritannien musste befürchten von einem Großteil seiner Grundnahrungsmittelversorgung abgeschnitten zu werden. Es war ziemlich klar wer der Bösewicht war. Unter solchen Umständen kann man eine Blood, Sweat and Tears Rede erfolgreich vom Stapel lassen.

Wenn ich mir die Montagsdemonstrierer hier in Frankfurt (Oder) ansehe, die am liebsten gleich Nordstream 2 aufmachen würden, habe ich da so meine Zweifel, dass wir dieses Stadium schon erreicht haben.

Ich habe keine gute Idee, unsere Politiker:innen auch nicht, also versucht man erst mal Geldpflaster auf alles zu kleben. Es wird nicht ewig gut gehen …

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