Das ganze kann man jetzt gern als ‚Totalversagen‘ etikettieren, da insbesondere die ‚time lines‘ weit überzogen werden. Aber das greift zu kurz.
Ich habe mir vor genau vor 5 Jahren eine Vortragsreihe an der FU-Berlin zu dem Thema ‚Atomkonflikt & Endlagerung‘ angehört.
Es war relativ kurz nach Verabschiedung des ‚Standort-Auswahlgesetzes‘ (StandAG) und der daraus resultierenden neuen Behördenstruktur (BASE).
Die Veranstaltung war ‚hochkarätig‘ besetzt, alle relevanten ‚Player‘ zu dem Spiel waren als Vortragende vertreten: das BMU (damals, vertreten durch ein grüne Staatssekretärin), BGE, BfE, Atomforum, NBG (Töpfer), die Anti-AKW-Kämpfer aus Gorleben, das Öko-Institut, DIW (C. Kemfert), die Grünen, nicht zuletzt vertreten durch Jürgen Trittin, der als Vorsitzender zur Kommission zur Finanzierung der Endlagerung den Kosten-Deal mit der Atomindustrie (der damals als erfolgreich galt) wesentlich verhandelt hat.
Dazu noch Historiker und Juristen.
Das ganze bewegt sich immer auf dem schmalen Grad zwischen dem technisch-wissenschaftlich sinnvoll machbaren und der politischen Realisierbarkeit und wie man alles der Öffentlichkeit ‚verkaufen‘ kann.
Damals waren alle Vortragenden - egal aus welcher Funktion/Fraktion froh, das man diesen anscheinend gangbaren Weg gefunden hatte.
Man setzte viel Hoffnung auf das ‚Nationale Begleitgremium‘ zur Einbindung der Öffentlichkeit und hoffte (zumindest alle Anwesenden) auf ein Ende der Dauerblockade und einen Neustart.
Die Erleichterung über scheinbar erreichten politisch Konsens überlagerte aber die schon damals vorhandenen Zweifel an den unrealistischen Zeitvorstellungen, die im StandAG festgelegt waren.
Ziel des Standortauswahlverfahrens ist, dass „in einem partizipativen, wissenschaftsbasierten, transparenten, selbsthinterfragenden und lernenden Verfahren für die im Inland verursachten hochradioaktiven Abfälle ein Standort mit der bestmöglichen Sicherheit für eine Anlage zur Endlagerung" ermittelt wird.". Der Salzstock Gorleben war als Grundlage für den Gesetzes-Deal von vornherein ausgeschlossen.
Der Standort, soll dauerhaften Schutz für einen Zeitraum von einer Million Jahren bieten. Die Forderung ‚bestmöglich‘ ist höher als nur ‚ausreichend‘ und sollte streng nach wissenschaftlichen Standards erfolgen.
Hehre Ziele.
Als die BGE ihren ersten Zwischenschritt 2020 veröffentlichte und dabei sehr große Teil der Republik geologisch als prinzipiell Endlager-geeignet kartierte (wo dann auch Bayern dabei war) war der alte politische Konflikt wieder voll da: NICHT BEI UNS!
Die jetzt eigentlich folgenden Standort-Eingrenzungen (Teilgebiete->Regionen → Standorte) stagnieren, die Behörde ist überfordert und der politische Widerstand wird umso höher, je konkreter eine Region in den Focus gerät.
Um nur einen Hauch von Akzeptanz in der (lokalen/regionalen) Öffentlichkeit zu bekommen, Klagewellen und Protesten wie einst in Gorleben vorzubeugen, sind die Behörden BASE/BGE gezwungen, wissenschaftlich mit hohem Aufwand zu arbeiten.
Mit anderen Worten: nichts geht voran … deshalb die deprimierenden neuen Schätzungen.
Der Anspruch an Generationengerechtigkeit und Sicherheit wird auf absehbare Zeit nicht erfüllt.
Manche spekulieren vielleicht auf eine ‚biologische Lösung‘: einige der hartnäckigsten und erfahrensten Gorleben-Kämpfer sind Rentner oder schon unter der Erde. Ohne die geht’s vielleicht besser.
Bei der verbreiteten und unausrottbaren NIMBY-Haltung sehe ich da völlig schwarz. Auch bei der damaligen Veranstaltungsreihe war das der berühmte Elefant im Raum: not in my backyard.
Ich gehe davon aus, dass zu meinen Lebzeiten kein einziger Castor irgendwie endgelagert wird.
Deutschland bietet hier mal wieder ein deprimierendes Bild im europäischen Vergleich: die Finnen haben ein fertiges Endlager, die Schweden sind sehr weit, die Schweizer haben sich auf eine Region bzw. geologische Formation festgelegt, auch die Franzosen sind viel weiter.
Wenn Deutschland in diesem eindeutig ‚hausgemachten‘ Schlamassel’ nichts von Generationengerechtigkeit wissen will, dann glaube erst recht nicht, dass es bei Klimapolitik besser sein wird.
p.s.
Es gibt eine kleine Broschüre der Bundeszentrale für politische Bildung, mit dem Titel ‚Ewigkeitslasten‘ (2019). Der Autor hatte die o.g. Vortragsreihe auch organisiert.