Wissing unter Druck? Oder wie man die Bevölkerung aufwiegelt

Der Satz trifft den Nagel auf den Kopf. Und macht deutlich, was hier gespielt wird. Es ist eine Art politisches Macht-Poker-Spiel.
Und das beherrschen die FDP-Vertreter offenbar (leider) meisterhaft. Selbst mit schlechten Karten auf der Hand bluffen sie erfolgreich.
Und unsere Leute beherrschen im Vergleich dazu noch nicht mal simples Mau-Mau.

Das ging schon in den Koalitionsverhandlungen so. Die letzte GroKo hatte Sektorziele in’s Klimaschutzgesetz geschrieben (wenigstens einmal was Positives von dieser Stillstandskoalition).
Und was sonst immer der strukturelle Vorteil der Konservativen ist („die Welt ist gut so, wie sie ist, wir wollen ja nix verändern, wir brauchen also auch nix zu tun“), war hier einmal unser, grüner Vorteil. Die Sektorziele sind Gesetz, wer sie weg haben will, muss sich Mehrheiten dafür suchen. Und anstatt die FDP am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen („sucht euch doch 'ne Mehrheit, aber nicht mit uns“) haben wir uns von der FDP über den Tisch ziehen lassen und der Aufhebung der Sektorziele im Koa-Vertrag zugestimmt. (Wobei die SPD verschämt zur Seite geguckt hat und keinen Finger krumm gemacht hat für ihr eigenes politisches Kind „Sektorziele“).

Aber wenn das angeblich - wie man hört - einer der unabweislichen Preise für diese Koalition gewesen sein soll (und welche andere, bessere hätte sonst zur Verfügung gestanden?), dann hätte man im Gegenzug wenigstens die Möglichkeit für Tempolimits offen halten müssen. Aber dazu hatte Robert Habeck ja schon während des Wahlkampfes gesagt, dass er an dieser Forderung die Regierungsbildung nicht scheitern lassen würde. War doch klar, dass die FDPler dieses Zugeständnis sofort eingepreist hatten.
Aber jetzt haben wir die Koalition. Und ohne gesetzliche Umsetzung der Koa-Vereinbarung über die Sektorziele (die die grüne BT-Fraktion geschickt verzögert hatte) wäre Wissing schwer in die Bredouille geraten. Dann hätte man als mindeste Gegenforderung für die Gesetzesänderung im Klimaschutzgesetz wenigstens das Tempolimit wieder auf’s Tableau heben sollen.

Wenn die FDP dann entweder aus der Koalition ausgestiegen wäre (eine neue, andere Regierung hätte sie nicht zu Stande bekommen) oder Wissing in seiner Not die abstrusen Sonntagsfahrverbote in Kraft gesetzt hätte - beides wäre der FDP massiv auf die Füße gefallen. Da hätten unsere Unterhändler einfach die Nerven behalten müssen. Und die Drohungen der FDP als Bluff entlarven.

Statt jetzt ein paar kosmetische Verbesserungen und wohlfeile Versprechungen auf fernere Jahrzehnte
als großen Erfolg zu feiern und diesen Sch…-Kompromiss auch noch mit grüner Farbe anzustreichen …

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Die Beobachtung teile ich durchaus - aber warum tut die Politik so etwas: weil wir sie damit beauftragen …

Wenn es tatsächlich um Umweltschutz, Arterhalt, nachhaltiges Wirtschaften, etc. ginge, dann würden unsere Parlamente - oder zumindest unsere Regierungen - egal, auf welcher Ebene - von Wissenschaftlern besetzt, die solche Dinge wie Tempolimit, eine sehr hohen Kerosinsteuer, sozialen Wohnungsbau etc. - einfach, weil es wissenschaftlich sinnvoll ist (sofern man natürlich auch die entsprechenden Zielvorgaben macht).

Und zwar ganz ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten einzelner Wählergruppen…

Ganz offensichtlich besteht dazu aber keinerlei Drang seitens großer Teile der Bevölkerung.

Und auch nur das Bestehen auf wissenschaftlich fundierte Dinge wie z.B. das Tempolimit als einen kleinen Baustein bekommen unsere Grünen Parlamentarier nicht hin, weil „Opposition Mist ist“.

Dabei verkennen wir, was passiert, wenn wissenschaftlich notwendiges zum Spielball von Machtinteressen verkommt.

Da aber die Gesellschaft offensichtlich genau so funktioniert, bleibt nichts anderes übrig.

Es hat also wenig Sinn, hier die gewählten Entscheidungsträger immer wieder schlecht zu reden - wir müssen entweder uns Wähler*Innen schlechtreden, die wir die Entscheidungsträger damit beauftragen, für uns diese Klientelpolitik umzusetzen - oder akzeptieren, dass wir so sind - wie wir eben sind…

Dazu mal ein Beispiel aus der Praxis:
Derzeit betreue ich ein Start-Up in der Uckermark, das sich mit Strohbau etablieren will. Zwei junge Umwelt-Ingenieure…
Als erstes Projekt haben sie einen ziemlich dicken Fisch an der Angel: auf einer Nordseeinsel einen Wohnkomplex für Arbeitnehmer und Einheimische bauen (Stichwort bezahlbares Wohnen). Das Ganze mit nachwachsenden Rohstoffen, das die vielen extremen Bauvorschriften bezüglich Naturschutzgebiet im Wattenmeer berücksichtigt. Auch soll ein innovativer konstruktiver Hochwasserschutz als Prototyp einfließen, dass ein Haus „hochfahren“ lässt, anstatt die Umgebung mit höheren Deichen zu zubetonieren.
Jetzt müssten die Gründer eigentlich offene Türen bei Fördergeldstellen und Politik einrennen. Das Gegenteil ist der Fall… wir machen das entsprechend den gesetzlichen Vorgaben, wie wir es seit 30 Jahren machen. Statt Innovation im Klimaschutz zu fördern, wird an starren Mustern festgehalten. Derzeit wird mit einigen Investoren geredet, die aber erst auf den Zug aufspringen wollen, wenn der Zug am Rollen ist. Während in den oberen Etagen der Politik ein Grabenkampf um Befindlichkeiten geführt wird, bleibt das Klima auf der Strecke. Hier könnten durch innovative Leuchtturmprojekte den anderen etablierten Parteien, denen Klimaschutz am südlichen Ende vorbeigeht, vorgeführt werden, dass sich Klimaschutz lohnen kann. Besonders die FDP ist mir persönlich ein Dorn im Auge. Ich hatte vor etwa 12 Jahren ein ähnliches Strohbauprojekt einem Architekten und MdB vorgestellt. Seine erste Frage war, was er bekommen würde, wenn er mich in den Sattel heben würde. Für mich ein deutliches Zeichen, dass persönliche Interessen im Vordergrund stehen, bevor parteipolitische Interessen bedient werden und Klimaschutz nur eine Randnotiz auf einem Stück Papier bedeutet.
Die Mitglieder der Regierung und die MdB sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sinnvolle Lösungen auf der Strecke bleiben.
Die Grünen sind für Klimaschutz angetreten. Klimakleber und Fridays for future fordern Lösungen statt markige Ansprachen. Eine zweite Welt haben wir nicht im Kofferraum. Deshalb verstehe ich auch die Lobby lastige Förderpolitik nicht. Elektrofahrzeuge und Chipfabriken werden mit Milliarden gefördert, die von wirtschaftlich sehr starken Firmen produziert werden. Kleine Start-Ups scheitern jedoch an der Eigenkapitalquote. Das versteht weder der Wähler noch ich als einfacher Bürger.
Schreibt man die zuständigen Ministerien an, so wird man von irgendwelchen Praktikanten an andere Zuständigkeiten verwiesen. Würden die Ministerien auf Ideenfang gehen, statt auf Wählerfang, wären wir effektiver.
Um bei der Überschrift zu bleiben: mit solchen unsinnigen Bürokratiemonstern wiegelt man die Bevölkerung auf, treibt sie zur AfD und das Klima ist dann irgendwann vollends am Arsch…

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@Dorfprojekt-Sarnow

Die eine Kritik ist die an Bürokratie und Hierarchien (und dem eigenen Aufstieg in diesen) - das ist eine Kritik, die tatsächlich an das System gestellt wird - bedeutet: Regeln müssen regelmäßig auch Sinnhaftigkeit überprüft und gegebenenfalls ersatzlos gestrichen werden.

Bei den Hierarchien/Zuständigkeiten wird es schon schwieriger, da dort sofort die persönlichen Belange anfangen, eine Rolle zu spielen - ich habe mir diese Frage gestellt, als es um eine Umgestaltung der Kinderföderung und im Zuge dessen um mehr Personal ging - meine (naive?!) Vorstellung an dieser Stelle wäre gewesen dass durch die Synergieeffekte die notwendigen Stunden in etwa gleich bleiben (oder tendenziell sogar abnehmen - wofür also die damals geforderten mehr Planstellen?)

Wenn ich mir aus meiner Froschperspektive die Umstrukturierungen, die ich in der Wirtschaft mitbekommen habe, so ansehe, so funktioniert das dort anders …

Die Frage ist nun, was dagegenspricht, grundsätzlich Behörden genauso zu organisieren wie Firmen? - Das habe ich zumindest nicht verstanden…

Was nun den übrigen Teil angeht, so ist die Frage, von der Du da berichtest, sehr interessant

denn die Antwort drauf kann nur sein, dass es hier um eine Sachebene geht - und nicht um die Frage, welche Person welchen Vorteil davon hat - uns so etwas muss man notfalls auch öffentlich machen, da dies ein Missstand ist.

Ich habe das mal persönlich in Ingolstadt bei einem Sozialprojekt erlebt - die SPD als Opposition wollte das nur unterstützen, wenn es für sie wahltechnisch plakativ vermarktbar gewesen wäre - das haben wir damals als Initiative abgelehnt (zugegeben wohl wissend, dass wir das nicht benötigen, da die CSU-Mehrheit das Projekt unterstützt hat - Interessant war nun, dass die Gespräche (wieder nicht repräsentativ), die ich bei Wahlen mit SPD-Anhängern geführt habe, bei denen nicht zu der Erkenntnis geführt hat, die SPD (oder zumindest einige Kandidat*Innen, die sich in der Diskussion besonders negativ hervor getan haben, nicht mehr zu wählen…

Was soll man sich also über behördliche Strukturen aufregen, wenn diese von uns Oberentscheidungsträger vor die Nase gesetzt bekommen, die nach falschen Prioritäten entscheiden?

Auch hier wieder der Verweis darauf, dass wir von unseren Repräsentant*Innen auch keine größere Rigerosität zwingend einfordern, sondern diesem Prädikat folgen, lieber doch irgendwie mitzuregieren?

Das Problem bei diesen beiden Gruppen ist, dass sie derzeit

a) in der Minderheit sind

b) die Nachteile ihrer eigenen Forderungen meist entweder nicht mitbedenken oder ausklammern (zumindest nach meinen nicht-repräsentativen Diskussionen)

Das mit der Minderheit ist ganz einfach: wenn die Mehrheit etwas anderes will, sind sie hoffentlich Demokraten genug, dies auch zu akzeptieren

mit der Ausklammerung muss man immer wieder - idealerweise wissenschaftlich - widerlegen und auch anders umsetzen.

Das Problem hierbei ist, dass die Mehrheit dahintersteht, da das eigentliche Ideal (gar kein Auto statt Austausch Verbrenner gegen „Mogelpackung“ E-Auto) für die allermeisten nicht infrage kommt.

Was bleibt also übrig, als diesen Tausch zu ermöglichen - nicht, weil die Industrielobby das so haben will - sondern, um einen „gemäßigten Wechsel“ (Betonung liegt hier auf „gemäßigt“ und nicht auf einen „wirklichen Wechsel“!) den Wähler*Innen nahezubringen.

Der Druck unter dem Wissing derzeit „Lösungskonzepte“ als Drohgebärde in den Raum stellt, zeigt, wie sehr die Wähler darauf anspringen – Autofreie Wochenenden hat es in Deutschland schon einmal gegeben, ohne das die Gesellschaft zusammen gebrochen wäre – wenn er das durchsetzen will, kann er das also gerne machen, denn da er das verantwortet, können die Wähler*Innen auch entscheiden, ob sie Tempo 130 einem ganz autofreien Wochenende vorziehen – wieso ist also dieser „Lösungsvorschlag“ überhaupt ein Problem (für die Grünen)? Warum vor etwas, das also eigentlich gar kein Problem ist, einknicken?

für viele Bürger ist diese Frage ohnehin sinnfrei.
Wenn ich so in meinem Dorf, oder meiner Gegend generell mich umsehe, dann können sich die meisten nur 15 Jahre alte Verbrenner leisten… meiner ist 24 Jahre alt und muss noch eine ganze Weile halten. Wenn ich finanziell in der Lage wäre, mir ein neues Auto zu kaufen, würde ich mich vermutlich für einen chinesischen Verbrenner entscheiden müssen. Da bekomme ich ein „Arbeitsauto“ für meine Zwecke um die 30.000 €, wo europäische Hersteller erst bei 60.000€ anfangen.
Die deutsche (Auto-) Industrie sitzt auf einem verdammt hohen Ross und haben noch nicht auf dem Schirm, dass BYD, Dongfeng und BAIC still, leise und heimlich auf den deutschen Automarkt drängen. Sie bieten Alternativen für Familien an, die auf das Auto angewiesen sind (hier muss man mit den Öffis eine Tagesreise einplanen, wenn man auf das Landratsamt nach Greifswald oder in eine Verwaltungsbehörde nach Stralsund muss). Ein Familienkombi ist bei deutschen Herstellern kaum unter 50.000 € zu bekommen (vergleicht man die Ausstattung).
Gleiches gilt für Solarmodule. Da wurde in Frankfurt/Oder mit riesigem Tamtam eine Solarfabrik eröffnet, die wenige Jahre Insolvenz anmelden musste.
Warum? Anstatt kostengünstige Produktionsweisen auch an den Verbraucher weiter zu geben, werden gemäß der Boston-Matrix (Produktlebenszyklus) hohe Preise verlangt und beim Auftreten von Kopierern langsam gesenkt. Der Fehler ist nur, dass die deutsche Wirtschaft viel zu spät auf Kopierer reagiert. Das Argument „made in Germany“ zieht beim Verbraucher nicht mehr, da es zu viele Rückrufe der deutschen Hersteller gab und die Ersatzteil Versorgung immens teuer geworden ist. Von der Innovation bis zum fertigen Produkt muss auch die deutsche Industrie ihre Abläufe reformieren. Doch diese Entscheidungen werden im Management getroffen und haben oft fatale Auswirkungen.
Würde man die öffentliche Administration wie eine Firma aufbauen, müssten vermutlich viele Kündigungen ausgesprochen werden. Betrachte ich mir gerade die Kommunal-Wahl in der Uckermark, so sind wir von einer digital kompetenten Verwaltung so weit weg, wie Berlin vom Uranus. Simple Informationen sind nur in Papierform erhältlich, verschiede Abteilungen kommunizieren nicht miteinander und am Ende stehen sie eigentlich wie die größten Deppen da. Dann werden wieder Paragraphen von anno Stulz hervorgekramt, um das eigene Versagen zu rechtfertigen.
Überzieht man das Digitalisierungsproblem nun auf alle Behörden, dann ist das Infrastrukturwandel gigantischem Ausmaßes. Hier sollten wir von den baltischen Staaten lernen. Fasst aber auch keine Partei ernsthaft an.
Mißstände über Mißstände… diese alle öffentlich zu machen, bringt nichts, denn Politiker mit klebrigen Händen hast du immer und wirst diese auch nicht ausmerzen können. Selbst wenn ich diesen FDP Politiker an die Presse gemeldet hätte… der da oben und ich in einer Froschperspektive…
Dazu fehlen uns die notwendigen Instrumente: wirklich freier Journalismus (man braucht unliebsame Journalisten nicht feuern, da sie meist freie Mitarbeiter sind und deshalb bekommen sie einfach keinen Auftrag mehr) und eine engagierte Strafverfolgung, die nicht überlastet ist. Wie viele tausend Aktenordner muss sich ein Richter bei einem Korruptionsprozess ansehen? Am Ende vergleicht man sich und das wars. Meist ohne Konsequenzen… Selbst bei der AfD tut man sich schwer mit den Zahlungen aus Russland… die lachen uns aus.

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Naja, wenn wir eine gleiche Gier nach Informationen wie denen, die Du da genannt hast, entwickeln würden, wie nach der Krebserkrankung von King Charles III (die freie Presse ist hier ein Spielball von Angebot und Nachfrage), dann ist die Frage, welche Journalisten dann bei Zeitungen unliebsam sind - und welche nicht - es ist nur die Frage, welche Information bezahlt wird - und das entscheiden die Leser - so wie bei Wahlen die Wähler…

Wir haben also nicht per se keine freie Presse…

Ich würde sogar sagen, wir haben sie in einem vielleicht zu großen Umfang, da es möglich ist, ein individuelles Schicksal einer einzelnen Person über die von gesellschaftlich relevanten Themen zustellen - was muss ich wissen, dass Herr Hölzenbein gestorben ist - keiner (bis auf wenige Freunde und Verwandte) kannten ihn - er ist also für 99,999% aller Menschen bestenfalls eine mediale Projektionsfläche gewesen, an der man, wenn man reflektiert, eher den eigenen Charakter erkennt als den von Herrn Hölzenbein…

Aber trotzdem ist es das, was die Leute interessiert und wofür sie bezahlen…

Und ich sehe auch nicht, wie man das ändern könnte, will man die Leute nicht medial bevormunden…

So ist also die Tatsache, dass man ruhig Wissing Wochenendfahrverbote verhängen lassen könnte, wenn die Menschen daraus fundierte Wahlentscheidungen treffen würden, doch gar nicht verkehrt - das Problem ist also ein anderes als das der angeblich „unfreien“ Presse…

Gleiches gilt auch für die von Dir letztgenannten Dinge - wie kann es sein, dass wir das den Entscheidungsträgern und den uns unterstützenden Behörden durchgehen lassen?

Wo ist die flächendeckend nachgefragte fundierte Berichterstattung darüber, an welchen Hebeln angesetzt werden muss, um dies dann entsprechend bei den Entscheidungsträgern (bei der nächsten Wahl) aktiv einzufordern (was natürlich voraussetzt, dass solche Nachrichten nicht nur flächendeckend nachgefragt, sondern statt nur konsumiert zu werden auch eine intensive flächendeckende Auseinandersetzung nach sich zieht)!

Wenn es also seitens Wissing endlich Fahrverbote gegeben hätte, hätte man sich damit auseinandersetzen müssen - oder zur AFD wechseln…

Solange wir davor Angst haben, fürchten wir uns ganz offensichtlich vor uns selbst…

Vor der Unmündigkeit vieler Mitbürger (und nicht Politiker oder Behörden), die immer noch nicht begriffen haben, dass die AFD keine Alternative für Deutschland ist…

Steht das wirklich so drin?
"
Alle Sektoren werden einen Beitrag leisten müssen: Verkehr, Bauen und Wohnen, Stromerzeugung, Industrie und Landwirtschaft. Die Einhaltung der Klimaziele werden wir anhand einer sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen
Gesamtrechnung überprüfen. Basis dafür ist das jährliche Monitoring.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität müssen alle Sektoren ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten. Wir wollen mit aller Kraft vermeiden, dass Deutschland aufgrund einer
Nichterreichung seiner Klimaziele EU-Emissionshandels-Zertifikate im Rahmen der EULastenteilung kaufen muss, die den Bundeshaushalt belasten.
"
Also ich lese das nicht so eindeutig da raus.
Besonders die von mir hervorgehobenen Sätze sprechen dagegen.

Und überhaupt, die FDP liefert auch nicht gemäß KV.
War da nicht zum Beispiel was mit Klimageld?

Ja, der entscheidende Satz ist natürlich ein wenig verklausuliert - damit Umwelt- und Klimaschutzverbände und die „grüne Basis“ nicht allzu brutal mit der Nase darauf gestoßen werden. Gemerkt haben sie es trotzdem:

(Fettungen durch mich)

Das bedeutet im Klartext nichts anderes als die Aushebelung verbindlicher Sektorziele für die einzelnen Ministerien.
Noch nicht mal die grüne BT-Fraktion, die ersichtlich „lange Zähne“ bei der gesetzgeberischen Umsetzung dieser Koa-Vereinbarung hatte, hat diese Schlussfolgerung in Zweifel gezogen.

Und mit der Formulierung „mehrjährig“ ist auch noch die rein praktische Möglichkeit verbunden, unangenehme Konsequenzen aus einem Verfehlen der gebotenen Reduzierung insgesamt auf die Zeit nach der nächsten BT-Wahl (2025?) zu vertagen.
Ich lasse mir auch nicht einreden, dass unsere grünen Verhandlungsführer nicht erkannt / gewusst haben, was sie da im Ergebnis vereinbart und ermöglicht hatten.
Aber wenn man dann „ampelseelig“ von der gutgläubigen Vorstellung (Illusion) bestimmt ist, man habe nun ein politisches Bündnis, in dem sich alle Kräfte - und nicht nur die Grünen - für den Klimaschutz verantwortlich fühlen würden …
Aber diese „heile Welt“ gibt’s vielleicht in Kinderbüchern, lieber Parteifreund Robert, die politische Wirklichkeit ist halt doch deutlich rauer.

Den Satz kann man so interpretieren. Aber für mich steht da nicht drin, das die Einzelziele dadurch ausgehebelt sind.
Aber was solls, sie haben sich halt spätestens jetzt wieder mal über den Tisch ziehen lassen.

ich glaube der sieht das realistischer als viele andere die da am Verhandlungstisch gesessen haben.

um das zu beurteilen, muss man den Gesetzestext lesen.
Das KlimaschutzG muss ja wohl geändert werden.
Gibts da schon einen Entwurf? Ich habe das nicht verfolgt.

Ich halte Gesetze, die lediglich Ziele festschreiben für sinnlos, solange sie nicht einklagbare Handlungen definieren, die konkret bestimmen, was getan werden muss, um die Ziele zu erreichen. Andernfalls sind sie nicht viel mehr als politische Absichtserklären (vulgo Wahlkampfversprechungen). Wie z.B. die 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr.

Sorry, aber als Jurist kann ich Euch nur sagen, den Satz kann man nicht anders interpretieren, als so, wie er von allen drei Koalitionsparteien auch übereinstimmend verstanden wird: Als Ankündigung, die Sektorziele aufzuheben.

Und im übrigen handelt es sich dabei (noch) nicht um einen Gesetzestext (Gesetzesvorschlag zur Änderung des noch gültigen Textes des Klimaschutzgesetzes, wie ihn die letzte GroKo beschlossen hatte), sondern um den Wortlaut eines Koalitionsvertrages, der jetzt gesetzgeberisch umgesetzt werden soll.

Das Klimaschutzgesetz ist ein Gesetz. Da stehen auch einklagbare Handlungen drin. Nämlich die besagten Sofortprogramme. Das wurde ja auch vor Gericht mit Erfolg eingeklagt. Wissing ist dagegen zwar (auf kosten der Steuerzahler) in Revision gegangen, befürchtet aber wohl zu verlieren. Deshalb die Drohung, um vorher das Gesetz zu ändern.
Die 400.000 Wohnungen dagegen sind wirklich lediglich eine Absichtserklärung.
Das ist schon ein gewaltiger unterschied.

Der liebe Parteifreund Robert hat die Passage

im Koalitionsvertrag mit Absicht abgenickt. Warum glaubt ihm das eigenlich niemand?

tja, was soll man dazu noch sagen?

Was soll er denn „realistischer als viele andere“ gesehen haben?
Dass er bei Abschluss des Koa-Vertrages

… diese Illusion hatte er zum Abschluss der Koa-Verhandlungen auf grüner Seite in der Tat nicht allein. Diesen schönen Traum hatten auch andere. Robert hat diese Erwartung allerdings in einem Fernseh-Interview auch wortwörtlich so zum Ausdruck gebracht.
Und von dieser Hoffnung getragen (getäuscht), hat man sich dann eben an zahlreichen Stellen des Koa-Vertrages mit wolkiger „Lyrik“ und unverbindlichen Langfrist-Zielen abspeisen lassen, anstatt knallharte Vereinbarungen für reales Handeln fest zu schreiben. Anders als die FDP, die ihre zentralen Anliegen - im Klimaschutzbereich eben gerade die Abkehr von den Sektorzielen und den Verzicht auf Tempolimits, oder bei den Finanzen Einhaltung der Schuldenbremse und Absage an jegliche Steuererhöhungen - klar und unmissverständlich im Koa-Vertrag hat niederschreiben lassen.

Und jetzt haben wir den Salat. Beim Klimaschutz bremst die FDP (mit klammheimlicher Rückendeckung des „Klimakanzlers“ und verschämten Wegsehen der SPD-Fraktion) an vielen Stellen. Und für den mangelnden Fortschritt dort werden dann in der Öffentlichkeit auch noch wir Grünen verantwortlich gemacht - denn, na klar, weiß doch jede/r - für den Klimaschutz sind die Grünen verantwortlich. Wer denn sonst?

Und ich sehe leider nicht, dass die grüne Führungsspitze endlich in der Realität angekommen ist, Illusionen über Bord geworfen und aus den schmerzlichen Erfahrungen der letzten zwei Jahre gelernt hat.
Das Mindeste was ich von der Parteiführung (Ricarda und Omid) in dieser Lage erwarte, ist die unmissverständliche Deutlichmachung, was eigentlich nach grüner Auffassung jetzt zu geschehen hätte und wo bzw. in wie weit die Koalition auf Druck der FDP und bei Untätigkeit der SPD hinter diesen Notwendigkeiten zurück bleibt.
Wenn das unsere Kabinetts-Mitglieder (ein Stück weit nachvollziehbar) wegen der Einbindung in die Kabinetts-Disziplin nur sehr „gebremst“ zum Ausdruck bringen können und auch die Fraktionsspitze im Bundestag dort oft nur mit „angezogener Handbremse“ agieren kann, dann muss eben die Parteiführung ggfs. bis an die Grenze zum offenen Streit in der Koalition zumindest bei grünen Kernanliegen „Flagge zeigen“.
Das ist ja gerade der eigentliche Vorteil der Trennung von (Partei-)Amt und (Regierungs-)Mandat, dass man damit etwas mehr Spielraum für die Eigendarstellung jenseits von Koalitionszwängen gewinnt.
Aber diesen Spielraum muss man dann auch nutzen.
Und nicht noch jede noch so - aus grüner Sicht - unverständliche / fragwürdige Entscheidung der Regierung bis hin zur Selbstverleugnung verteidigen und rechtfertigen.

Du gibst Robert an allem die Schuld.
Er war aber nur einer von vielen die da verhandelt haben.
Er ist halt immer der, der es nach außen verteidigen muss.

Die Verhandlungen werden hauptsächlich durch die Fraktion (Spitze) und Parteiführung geführt.
Da liegt am ehesten das Problem. Da haben wir schwache Leute.

Was mir gefehlt hat, ist dass die Grünen nach Wissings Drohung eine entsprechende Offensive zur Aufdeckung seiner Versäumnisse und Darstellung der Alternativen die er verweigert gemacht hätten.
Da wäre seine Drohung vielleicht ins leere gelaufen, aber zumindest wäre sein Versagen klar geworden.

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was genau meint Ihr mit „Koalitionsvertrag“?
habt Ihr da mal eine Fundstelle mit dem Volltext?

Im KoalitionsV von 2021 steht auf S. 43 Folgendes:

„→ Klimaschutzgesetz
Wir werden das Klimaschutzgesetz noch im Jahr 2022 konsequent weiterentwickeln und
ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und
Maßnahmen auf den Weg bringen. Wir werden Klimaschutz zu einer Querschnittsaufgabe
machen, indem das jeweils federführende Ressort seine Gesetzentwürfe auf ihre Klimawir-
kung und die Vereinbarkeit mit den nationalen Klimaschutzzielen hin prüft und mit einer
entsprechenden Begründung versieht (Klimacheck).
Alle Sektoren werden einen Beitrag leisten müssen: Verkehr, Bauen und Wohnen, Strom-
erzeugung, Industrie und Landwirtschaft. Die Einhaltung der Klimaziele werden wir an-
hand einer sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen
Gesamtrechnung überprüfen. Basis dafür ist das jährliche Monitoring.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität müssen alle Sektoren ihren Beitrag zum Erreichen der
Klimaziele leisten. Wir wollen mit aller Kraft vermeiden, dass Deutschland aufgrund einer
Nichterreichung seiner Klimaziele EU-Emissionshandels-Zertifikate im Rahmen der EU-
Lastenteilung kaufen muss, die den Bundeshaushalt belasten.
Wir werden ein Klimaschutzsofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen und Vorhaben
bis Ende 2022 auf den Weg bringen und abschließen.“

Koalitionsvertrag_2021_barrierearm.pdf (1,0 MB)

für mich eher ein Offenbarungseid, da keine Sachkenntnis über Baurecht, Bauvorschriften, DIN Normen oder Leistungsfähigkeit von Industrie und Behörden

Ja, sagt ja schon der Name.

Im Gesetz sind eben keine konkreten Maßnahmen beschrieben. Ein Beispiel (das Konzept ist dir ja bekannt) für eine solche konkrete Maßnahme wären Fahrverbote. In eine Sofortprogramm kann man alles Mögliche reinschreiben, egal ob es Wirkung entfaltet oder nicht.

Wie genau unterscheidet sich in der Praxis ein Gesetz, welches zwar Ziele vorgibt aber keine Konsequenzen oder gar Strafandrohung beinhaltet und damit keinerlei juristische Durchsetzbarkeit hat, von einer Absichtserklärung? Ich sehe da außer dem Formal-Juristischen keinen gewaltigen Unterschied.

Auf Seite 55 steht der ziteirte Satz. Wir hatten das hier im Forum schon diskutiert.

https://das-gruene-forum.de/t/die-gruenen-und-der-koalitionsvertrag-scheitern-auf-ganzer-linie/2906/18?u=biologin