Verrückte Idee 5 - Busfahrpläne abschaffen!

Vor ein paar Jahren war ich schon mal im Krankenhaus (Nierentransplantation mit Problemen). Als ich nach 6 Monaten in die Reha kam, konnte ich nur mit Rollator laufen und Autofahren durfte ich nicht.
Trotzdem mein Beruf macht mir Spaß und ich habe mich gefreut die Wiedereingliederung zu machen und wieder mit der S-Bahn nach Frankfurt ins Büro zu fahren.

Doch diese besondere Situation hat mich dann mit einem exotischen Verkehrsystem in Kontakt gebracht mit dem ich, seit ich 1985 in Rhein-Main-Gebiet kam bzw. mit dem ich seit ich 1965 in Kassel geboren wurde noch niemals Kontakt hatte: DEM STADTBUS

In Oberusel-Weißkirchen hat man, wenn man Abends aus der S5 steig Anschluss an einen Stadtbus (jedefalls für jede 2. S-Bahn). Der steht dann da unten und wenn die S-Bahn pünktlich ist, hat man zwei Minuten da rein zu kommen. Dann beginnt eine Erfahrung fürs Leben: Das Ding wiegt 15 Tonnen hat Platz für 100 Leute (mit Stehplätzen). Anwesend sind aber nur ich und der Fahrer (und mein Rollator). Dann fahren wir gemeinsam in weitem Bogen durch den Stadtteil Weißkirchen an etwa einem dutzend Haltestellen vorbei. Keiner Steigt aus (wer auch?), Keiner Steig ein. An der Endstation bin ich dann wohl 1500 m näher an zuhause als vorher - mit Rollator ein guter Deal.

Auf diesen abendlichen Rundfahren hatte ich also viel Zeit darüber nachzudenken:
Warum ist das so?

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Nun als Informatiker wurde mir klar: Busfahrpläne sind ein Ausdruck eines Informationsdefizits. Die Ausgangslage ist:

  • Man möchte Menschen von A nach B transportieren
  • Der Busfahrer weis aber nicht wo die Menschen gern einsteigen würden und wo Sie aussteigen wollen.
  • Die Menschen wissen nicht wann und wo der Bus gerade fährt.

Also legt man fest, das der Bus in bestimmten Rhythmus bestimmte Punkte in der Stadt (sog. „Haltestellen“) an fährt und dort Passagiere aufnimmt. Damit ist gleichzeitig eine Route für den Bus definiert und die Punkte an denen die Passagiere aussteigen dürfen. Das ganze nennt man dann Fahrplan. Dieses Prinzip hat sich seit der Zeit der Pferdekutschen nicht geändert.

In Randzeiten oder in dünn besiedelten Gebieten ist das aber absurd. Die Busse fahren viel zu selten, um für die meisten Menschen irgendwie nützlich zu sein (oder gar das Auto zu ersetzen). Erhöht man aber den Takt bis auch die Nachtkinobesucher zufrieden sind ist dieses Verfahren extrem teuer und an Energieverschwendung und Ineffizienz kaum zu überbieten.

Das ist alles so altertümlich, das es mir die Sprache verschlägt. Alle Reden von Digitalisierung, aber kaum jemand scheint zu verstehen, was das wirklich bedeutet!

Mein Vorschlag ist den Busfahrer und den Bus beizubehalten und nur den Fahrplan abzuschaffen und durch ein Digitales System zu ersetzen (Ja Hurra Digitalisierung!). Über Telefon oder Online sage ich wo ich bin und wann ich wohin will (also das tatsächliche End-Ziel) und werde dann in die Route des Busses eingeplant. Der Bus weiß (über das End-Ziel) auch ob er mich zur S-Bahn nach Frankfurt bringen soll oder zu einkaufen im Edeka. Im ersten Fall muss er mich pünktlich absetzen - es sei denn er weis schon das die S-Bahn 5 Minuten Verspätung hat - im zweiten Fall kommt es mir ja nicht darauf an, ob ich den Edeka 10:00 oder 10:04 betrete.

Die Kosten bleiben gegenüber Bus-Mit-Fahrplan praktisch gleich - nur die Attraktivität steigt enorm. Gerade in den Randstunden würde der Bus mich direkt nach Haus bringen.

Und ja - all dieser Komfort lässt sich meiner Meinung nach DSGVO-konform umsetzen.

(Diesen Beitrag hatte ich schon mal im offiziellen Forum eingestellt. Ich habe nur etwas gefeilt, weil ich den Pitch hoffentlich bald für die Stadt Oberursel brauche.)

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Meine Tochter arbeitet bei einer Firma, die Software für ÖPNV macht. Da fließen offenbar ziemlich viele Randbedingungen ein, wie Pausenzeiten, Tank/Auflade-zeiten und -orte, andere arbeitsrechtliche Sachen, Anschlüsse, Versicherungsaspekte usw.
Ich hätte nicht gedacht, dass das so komplex ist. Wie das bei einem on demand System aussehen würde, weiß ich aber nicht.
Aber die Fragestellung sieht auf dem Land wohl wirklich anders aus. Ich frag sie mal :slight_smile:
Deine Erfahrung mit den Stadtbussen: Kommt mir bekannt vor. Ich habe kein Auto. Zu den meisten Orten komme ich einfach nicht hin.

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Die Idee ist übrigens fertig implementiert. IOKI - Betriebssystem für digitale Mobilität ist eine 100% Bahntochterfirma. Habe mit denen schon mal geredet.

Bräuchte man nur eine Partei, die das flächendeckend fördert und einführt. :slight_smile:

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Hat wohl nicht jeder gesehen :
https://discourse.netzbegruenung.de/t/verrueckte-idee-5-busfahrplaene-auf-dem-land-abschaffen/30071/101

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Wenn man jetzt noch den 15-Tonner mit den 100 Plätzen durch 2-4 Vans ersetzt, wird das System noch flexibler und man kann sogar in kleinere Seitenstraßen fahren. Nennt sich MOIA.

Allerdings muss man dann auch 1-3 Fahrer mehr bezahlen, was die Angelegenheit etwas teuer macht. Sobald aber das autonome Fahren verfügbar ist, entfallen diese Kosten und das System wird konkurrenzlos billig.

@anonymeNutzer - bitte die Beiträge eher hierher kopieren. Ich hätte beinah im toten Forum geantwortet. :slight_smile:

Es gibt dutzende solcher Modelle über die ganze Bundesrepublik verteilt. Aber allen gemeinsam ist, das Sie das bestehende Angebot flexible erweitern wollen. Das von dir genannte Beispiel oder das von @herzoga0 funktionieren genauso:

Hintergrundinformation Tarife/Buchung „Flex’Hop“

Das „Flex´Hop“ ist ein Angebot der CTS, dem Betreiber des urbanen Verkehrsnetzes in der Eurométropole Strasbourg. Fahrzeuge sind über eine kostenlose App („Flex´hop, le TAD de la CTS“ bei Google Play und im App Store) erhältlich, über die Webseite oder über die kostenlose Telefonzentrale unter 0800/200120 buchbar. In den Fahrzeugen gilt der CTS-Tarif, der Europass der TGO wird ebenfalls anerkannt.
Weitere Informationen erhalten Interessierte online bei der Ortenaulinie.

Das reicht aber nicht mehr. Wir brauchen einen Revolution des Verkehrssystems!

Ja. Die bestehenden Systeme haben ein großes ‚Beharrungsvermögen‘ (plus eine Lobby, die sie schützt).

Im Umland von Hannover wird in drei Gemeinden ‚Sprinti‘ pilotiert. Das ist Großbus on demand. In einer davon haben sie es gewagt, zwei alte Linien dafür zu streichen. Da haben sich dann gleich einige Fahrgäste beschwert, die an die festen Zeiten gewöhnt waren *seufz*.

Man muss einbeziehen, wer auf dem Land die Busse benutzt: Hauptsächlich alte oder kranke Leute, etwa für die Fahrten zum Arzt in die nächste Stadt oder zum einkaufen, weil es auf dem Dorf keinen Laden gibt, oder für einen sozialen Kontakt, die Freundin im Altersheim besuchen uä.
Die anderen Gruppen sind Jugendliche, eher aus ärmeren Familien, die nicht von ihren Eltern chauffiert werden, oder andere mit geringem Einkommen.
Hier im Stadtbus vom Ortsteil in die Mittelstadt sitzen lauter alte Leute im Bus, zu bestimmten Zeiten Schulkinder und im Sommer noch Touristen.
Für diese Gruppen ist es nicht nur nötig, dass die Busfahrten auf ihre Bedürfnisse passen, sondern auch der Zugang dazu. Man kann nicht mit einem modernem Smartphone rechnen, oder mit den nötigen apps, oder einem Bezahlsystem auf dem Phone.
Wenn das also nicht funktioniert, könnte es Sinn machen, nach solchen Faktoren zu fragen.

Für alle diese Punkte gibt es bereits einfache Lösungen:

  1. Ein Bus-On-Demand System, was alte Menschen zuhause abholt zum Einkaufen fährt und später wieder nach Hause ist ja wohl um Längen besser als jeder Linienbus.
  2. Auch Bus-On-Demand kann bei Bedarf natürlich an behindertengerechten Haltestellen halten.
  3. Es braucht einen Telefonischen Buchungsservice. Der muss aber meiner Ansicht nach kostendenkend bepreist sein, um Missbrauch zu verhindern.
  4. Der Bus-On-Demand hat kein eigenes Bezahlsystem, man nutzt Ihn mit normalen Zeitkarten. Einziger Punkt: den Verkauf von Einzelfahrscheinen würde ich nicht fortsetzen.
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Natürlich gibt es viele Lösungen, über die nachgedacht wurde und die zT eine Erleichterung sind. Ich weiß aber nicht, ob dabei wirklich der ganz normale Alltagshazzle von eingeschränkten Menschen einbezogen ist.

Beispiele:
Ich habe nach einer längeren Bahnfahrt das Anrufsammeltaxi nutzen wollen. Handy Akku fast leer. Der Mitarbeiter im call-center verstand meine Ortsangabe nicht, ich musste buchstabieren, dann war das Gespräch weg, und ich wusste nicht, ob die Bestellung angekommen war. Hätte auch erst in 2 std fahren können, da in den Abendstunden nur ausgedünnter Verkehr. Ich war fertig und heulte.
Während Corona konnte ich bei einem Besuch nur mit dem handy bezahlen, aber die Bezahlfirma fragte die Schufa ab und lehnte das <2€ Ticket ab. Zeitkarte habe ich nicht, erst recht nicht für Besuche bei meinem Sohn.
Wenn ich zum Zahnarzt fahre, muss ich am Bahnhof in eine andere Linie umsteigen. Für die Rückfahrt on demand könnte ich vorher nichts bestellen, da ich nicht weiß, wie lange der Termin geht. Also müsste ich von unterwegs mit dem handy anrufen mit schlechter Akustik. Ich finde Anrufe unterwegs mühsam, da ich schlecht höre, wenn Störgeräusche da sind.
Wenn ich unterwegs Angstattacken habe, brauche ich etwas Verlässliches, um heimzukommen. Jede Unsicherheit bringt Tränen. Kommunikation mit einem callcenter wäre schwierig.
Wenn an einer Haltestelle keine Bank vorhanden ist, bekomme ich Probleme. Für den Hinweg spielt das keine Rolle, aber für den Rückweg häufig.
Manchmal geht mir unterwegs so plötzlich die Kraft aus, dass ich nur noch zur nächsten Bushaltestelle gehen kann und ab nach Hause. Mit einem callcenter reden wäre wohl zu viel.

Das sind so Beispiele, die eigentlich gelöst werden könnten und nicht unbedingt ein Problem darstellen müssten. Eigentlich. Aber wenn die Kraft knapp ist, wird das Problem wirklich groß und macht Angst.
Und ich kann mich noch auf einiges einstellen, da ich mich mit Verstand und Sinnen noch orientieren kann. Bei vielen anderen kann ich mir vorstellen, dass sie da noch größere Probleme haben könnten.

Ich meine nicht, dass on demand nicht funktionieren könnte oder nicht sinnvoll wäre, wahrscheinlich ist es sogar sehr sinnvoll. Nur, dass die Widerstände genau angesehen werden müssen. ÖPNV sieht aus der Sicht von eingeschränkten Menschen völlig anders aus als für fitte, und das sind die, die ihn jetzt, gerade in den Dörfern auf dem Land, am häufigsten nutzen.

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Ich finde die Idee grundsätzlich gut, allerdings habe ich noch nicht so ganz verstanden, wie das in der Praxis läuft, wenn ich zum Beispiel mit dem Bus zum Bahnhof fahre und einen bestimmten Zug erreichen will. Dann ruft einer an und sagt, dass er gern zwischendurch noch aufgegabelt werden möchte (nur ein kleiner Umweg), und ich dadurch den Zug verpasse, weil ich exakt 10 Minuten von der Bushalltestelle (bzw. dem Ort, wo sie mal war) bis zur Abfahrt des Zuges eingeplant hatte, aber wir dank des Umwegs incl. einem Ministau in einer Seitenstraße, durch die er sonst nicht gefahren wäre, erst 2 min vor Abfahrt des Zuges ankommen.

Nein, da muss es „Grenzen“ geben, was die Einhaltung von bereits vereinbarten Terminen angeht. Ende des Check in.

Das war in USA:
Ich hatte mal ein Sammeltaxi zum Flugplatz, und dann kam so ein Sozialfall, der kein Zeitbewusstsein hatte.
Ich musste dann den Taxifahrer hart angehen, (finanzielle Konseqenzen androhen) damit mich der noch rechtzeitig zu meinem Flug abgeliefert hatte. Habe dann nie wieder Sammeltaxi genommen. 5US$ gespart und Flug versäumt!

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Aus einem Urlaubsort kenne ich eine Variante, dass die, die alle denselben Zug erreichen müssen, vom Sammeltaxi nacheinander abgeholt werden. Das klappte sehr gut, aber das Taxi hatte auch nur 10 Plätze, und 8 davon hatten wir.

Das ist ein guter Anwendungsfall: Ob auf einer Route eine weitere Person aufgenommen werden kann hängt auch an den Zielen der bereits geplanten Fahrgäste: Wenn das Computersystem Fahrgästen versprochen hat, Sie zu einer bestimmten S-Bahn zu bringen, kann es nur so lange zusätzliche Fahrgäste aufnehmen wie dieses Ziel nicht gefährdet wird. Außerdem haben Gäste die früher planen Vorrang vor spontanen Gästen.

Wenn die Fahrgäste im Bus aber statt zur S-Bahn zum Edeka wollen, geht das Programm davon aus, das es auf 1-2 Minuten nicht ankommt und kann somit eher spontan noch Umwege fahren. Umgekehrt: Wenn Abends 7 Fahrgäste eine Fahrt von der S-Bahn nach Hause gebucht haben, wartet der Bus bis alle eingestiegen sind (auch der mit dem Rollator).

So kann man die Informationen über die Reisewünsche der Gäste optimal ausnutzen. Person mit Fernreise + 2 Koffern => Einstiegszeit + 2 Minuten; usw.

Diese Art des Nahverkehrs hätte in Bezug auf Komfort nichts mehr mit unserem aktuelle Fahrplansystem zu tun.

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Ich hatte an anderer Stelle mal eine Situation geschildert, bei der sich ca. 10 Personen mit Überseekoffern und 3 Paare mit Kinderwagen neben ca. 30 weiteren Fahrgästen in einen Bus gedrängt haben. Wenn du für jede Person mit Koffer 2 min einplanst, wären das schon 20 min. Hier noch mal die Situation:

Wie würdest du sie lösen?

Da ich weis, wie viele Fahrgäste diesen Bus nehmen wollen und das einige „Viel Gepäck“ angekreuzt haben, schicke ich zwei Busse.

Wer fährt den zweiten Bus?

Ich habe normalerweise eine bestimmte Flotte von Bussen mit Fahrern, die alle ihrem jeweiligen Fahrplan folgen. Egal ob leer oder voll. Wenn diese Busse aber alle flexibel fahren kann ich mehr Sondersituationen abdecken.

Irgendwann ist aber auch damit Schluss. Dann bleibt nur neue Fahrgästen mitzuteilen: Sorry es dauert 20 Minuten bis Ihr Bus kommt. Bedenke aber: In so einer Situation sind die vorhandenen Busse auch alle ausgelastet (im Gegensatz zu heute) und mit jedem zusätzlichen Bus steigt die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems an.

Das ist doch der Zustand zu dem wir wollen: Es gibt so viele Bussse, die dich auf Wunsch jederzeit überall in der Stadt hinbringen, dass niemand mehr ein Auto braucht. Und wenn man die Kosten für die ganzen gesparten Autos aufaddiert sparen die Bürger Millionen pro Jahr.

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Zurzeit ist Busfahren sehr teuer, deshalb sind sie nicht ausgelastet. Wenn man den Busfahrerjob atraktiv machen will, so dass mehr Leute das machen wollen, wird es noch teurer.